Dr. Iris Koller ist Fachanwältin für Medizinrecht in München.
(Quelle: © Provinzglück) Seit 2015 fachgleiche Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gesetzlich erlaubt wurden, nehmen Praxisübernahmen durch Investoren zu. Dr. Iris Koller ist Fachanwältin für Medizinrecht in München. Seit ihrer Promotion über ärztliche Kooperationsformen, begleitet sie Ärzte bei Kauf, Verkauf und Umstrukturierungen von Praxen. Wie sieht sie die Lage im Hinblick auf Investoren und was erwartet sie von Gesundheitsminister Karl Lauterbachs MVZ-Regulierungsgesetz? Gertraud Wittmann hat nachgefragt.
Frau Koller, Sie regeln viele MVZ-Praxisgründungen und -übergaben. Wird es bald nur noch MVZ geben?
Nein, Einzelärzte und Gemeinschaftspraxen wird es weiterhin geben. MVZ in Bayern haben, gemessen an den Behandlungsfällen, einen Anteil von ungefähr 10 Prozent. Auf MVZ in Hand von Finanzinvestoren, den PEG, den umstrittenen Private-Equity-Gesellschaften, entfallen etwa 1 Prozent.
Wäre der Eigentümer für Sie als Patient wichtig?
Als Juristin interessiert mich das natürlich immer. Noch wichtiger wäre mir aber der Arzt: Wurde er mir empfohlen, kenne ich ihn, ist er oder sie für meinen Fall spezialisiert. Seine/ihre fachliche und persönliche Kompetenz wäre für mich ausschlaggebend, nicht der rechtliche Status.
Gerade in einem MVZ sehen Patienten häufig verschiedene Ärzte.
Das ist leider ein Zeichen unserer Zeit. Personal ist überall knapp. Viele Menschen möchten nicht mehr Vollzeit arbeiten. Von dieser Entwicklung sind alle Anbieter von Gesundheitsleistungen betroffen, nicht nur MVZ. Es betrifft den ambulanten sowie den stationären Sektor gleichermaßen.
Investoren interessieren sich besonders für fachgruppengleiche MVZ. Um welche Fachgebiete geht es?
Ein Investor sieht das Potential einer Praxis, wird durch Renommee oder Expertise des Inhabers aufmerksam und spricht diesen gezielt an. Bei unseren Mandanten war bislang Augenheilkunde, Radiologie oder Zahnmedizin gefragt. Momentan werden in München viele Orthopädie-Praxen verkauft, Praxen mit zwei oder mehr Vertragsarztsitzen. Die Ärzte, die ihre Praxis verkaufen, arbeiten in dem neuen Konstrukt als Angestellte weiter, bekommen ein adäquates Gehalt und sorgen weiter verantwortungsvoll dafür, dass die Praxis läuft.
Werden dadurch potenzielle Nachfolger verdrängt?
Dies will ich nicht komplett ausschließen, ist aber letztlich vom Einzelfall, den Gesamtumständen und dem Willen des abgebenden Arztes abhängig. Nach meiner Erfahrung hat ein Arzt, der seine Praxis als Lebenswerk versteht und emotional eng damit verbunden ist, oft einen Wunschkandidaten. Dementsprechend wird juristisch die Übergabe vorbereitet und vertraglich sowie KV-rechtlich umgesetzt. In diesem Fall stellt sich das Thema Investoren von vornherein nicht.
Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass Investoren ganz gezielt nach geeigneten Praxen suchen und diese dann aktiv ansprechen. Insofern stellt sich meines Erachtens Ihre Frage in der Praxis nicht, zumindest habe ich den von Ihnen angesprochenen Verdrängungswettbewerb tatsächlich noch nicht erlebt.
Man hört, dass Finanzinvestoren Druck ausüben, lukrative Behandlungen zu verschreiben.
Das kann ich nicht bestätigen. Ich würde mir hier eine differenziertere Diskussion wünschen. Diejenigen Mandanten, die bislang an Investoren verkauft haben, können dies klar verneinen. Der Druck wirtschaftlich zu agieren ist natürlich da – genauso wie vorher als freiberuflicher Arzt in der Einzelpraxis und/oder Berufsausübungsgemeinschaft auch. Um das Erfolgslevel zu halten, werden Regelungen getroffen, welche die Motivation und Effektivität der Arbeitsweise aufrechterhalten.
Aber den von Ihnen aufgeworfenen Verordnungsdruck kann und darf es gar nicht geben. Auch das investorengeführte MVZ ist an die herkömmlichen Regelungen, gesetzlichen Vorgaben, an Vertragsarztrecht, Zulassungsrecht und Richtlinien gebunden, so dass sich jedes Konstrukt – unabhängig vom Rechtsträger – innerhalb des rechtlichen Rahmens bewegen muss.
Auch die KVB (Kassenärztliche Vereinigung Bayerns) will ökonomische Motive begrenzen. Wird das gelingen?
Das werden wir sehen. lch würde es vielmehr begrüßen, konstruktive Anreize zu schaffen, um den Arztberuf an sich und die Abrechnungssituation so attraktiv zu gestalten, dass wieder mehr Nachwuchs im niedergelassenen Bereich gewonnen werden kann. Andernfalls steuern wir auf eine dramatische Unterversorgung, gerade auf dem Land, zu.
Karl Lauterbach plant ein neues Gesetz. Was erwarten Sie?
Das MVZ-Regulierungsgesetz wird sich auf die Verträge und rechtliche Beratung auswirken. Einige Punkte, wie das MVZ-Register und ein Transparenzgebot, können nicht schaden. Die Frage, wer konkret hinter einem MVZ steht, sollte dem Patienten klar ersichtlich sein. Andere Punkte dürften dagegen verfassungsrechtlich schwer durchzusetzen sein.
Die Realität ist doch folgende: wir haben in den Praxen größte Probleme, geeignete Nachfolger zu finden. Der Wunsch nach Teilzeit- und Angestelltenmodellen ist da. Wir brauchen moderne Praxen mit großer Investitionsbereitschaft. Zugleich ist die Unabhängigkeit der medizinischen Entscheidungen und die freie Arztwahl im Gesundheitswesen verankert und muss erhalten bleiben. Eine gesunde Wettbewerbsordnung wird sich in diesem Bereich etablieren. Es bleibt spannend.
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte: Gertraud Wittmann